Bei seiner Jahrespressekonferenz am 19.2.2025 in Berlin hat TecPart – Verband Technische Kunststoff-Produkte e.V. den „Marktbericht der Kunststoffverarbeitenden Industrie 2024“ vorgestellt. Die Zahlen des Berichts schreiben die schlechten Werte des Vorjahres fort. So verzeichnet die Branche 2024 einen drastischen Umsatzrückgang von 4,3 Prozent beziehungsweise über 3 Milliarden Euro. Gleichzeitig präsentierte TecPart strategische Handlungsempfehlungen für die künftige Bundesregierung. „Unsere Empfehlungen zielen auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Einseitige politische Prioritäten haben in den vergangenen Jahren die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland geschwächt. Wir blicken auf drastische Kostensteigerungen, Abwanderung und Kapazitätsabbau bei unseren Kunststoffverarbeitern und den international beschaffenden Kunden. Die Lage ist alarmierend“, kommentiert Felix Loose, geschäftsführender Gesellschafter der ROGA-Gruppe und Vorsitzender des TecPart. „In den ersten 100 Tagen der neuen Regierung müssen entscheidende Maßnahmen umgesetzt werden, um eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Zukunft der Kunststoffindustrie in Deutschland zu sichern. Es geht um nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit unseres Industriestandortes, insbesondere für Kunststoffverarbeiter und -recycler.“
Die aktuellen Indices der deutschen Wirtschaft stehen auf „Wirtschaftsnotstand“. Hohe Standortkosten durch teuren Strom, überbordende Bürokratie und inflationsbedingte Lohnsteigerungen beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit. Über 80 Prozent der Kunststoff verarbeitenden Unternehmen beklagen einen starken bis sehr starken Auftragsmangel. Viele Firmen kämpfen zudem weiterhin mit den Nachwirkungen der Corona- und Energiekrise, die zu Absatz- und Liquiditätsengpässen geführt haben. Insbesondere der Mittelstand – das Rückgrat der deutschen Industrie – knickt unter diesem Druck immer mehr ein. Die erfolgreichen Unternehmen erzielen ihre Gewinne zunehmend mit ihren Standorten im Ausland. Dies wiederum verschlechtert abermals die Situation in Deutschland, denn hier dringend benötigte Investitionen und Nachfrage werden gebremst.
Kunststoff verarbeitende Industrie 2024 im Abwärtstrend
„Die heimische Kunststoffverarbeitung kann sich der strukturellen Standortbelastung und Nachfrageschwäche in Deutschland nicht entziehen,“ erläutert Michael Weigelt, Geschäftsführer bei TecPart und fasste die Kernaussagen der erhobenen Marktdaten zusammen: „Der Gesamtumsatz wurde ermittelt auf Basis der Werte des Statistischen Bundesamtes und liegt für das Jahr 2024 bei 69,7 Mrd. Euro, damit schließt die Kunststoff verarbeitende Industrie um 4,3 Prozent schlechter ab als im Vorjahr.“ Besonders deutlich war der Rückgang in den umsatzstärksten Segmenten der Kunststoffverarbeitung. Technische Teile gaben um 5,6 Prozent nach und die Baubranche liegt 6,4 Prozent unter dem Vorjahreswert. Die Menge verarbeiteten Kunststoffes fiel ebenfalls von 12,8 Million Tonnen auf 12,3 Millionen Tonnen. In den Segmenten Technische Teile lag der Rückgang bei rund sechs Prozent. Im Bereich Bauprodukte belief sich das Minus an Materialverbrauch auf fünf Prozent. Der Anteil von Rezyklaten in Kunststoffteilen wächst leicht von 18,7 Prozent auf 19,5 Prozent, jedoch blieb die verarbeitete Menge ob des Auftragsrückgangs in diesem Segment konstant. Sinkende Umsätze und steigende Personalkosten führten 2024 dazu, dass nur 14 Prozent der Unternehmen ihre Gewinne steigern konnten. Bei mehr als der Hälfte der Firmen sanken die Gewinne, mit negativen Folgen für die Anzahl der Beschäftigten, die sich um zwei Prozent auf rund 310.000 reduzierte.
Die Kernmärkte für Technische Teile befinden sich weitgehend unter Druck. Rekordwerte bezüglich schlechtem Geschäftsklima und Auftragsrückgang in der Automobilindustrie, anhaltende Abwärtstrends in der E+E Branche, eine sich verschlechternde Geschäftslage im Maschinenbau insbesondere am Heimatmarkt sind deutliche Zeichen.
Die Kunststoff verarbeitende Industrie blickt mit entsprechend nüchternen Gefühlen in die Zukunft – rund je ein Drittel der Befragten rechnet mit sinkenden, gleichbleibenden oder steigenden Umsätzen. Wobei nur 20 Prozent eine Gewinnsteigerung erwartet. Die weitgehend negative Zukunftserwartung schlägt sich besonders deutlich in der Investitionsplanung für 2025 nieder – 84 Prozent der befragten Kunststoffverarbeiter wollen das Investitionsniveau halten oder reduzieren. Dringend benötigte Investitionen in moderne Produktionsanlagen z. B. mit Blick auf Digitalisierung sind überwiegend nicht geplant. Geplante Investitionen in Rationalisierungsmaßnahmen steigen hingegen von 25 auf 32 Prozent der Investitionen. Möglichkeiten in eigene Betriebsstätten im Ausland zu investieren haben nur 40 Prozent. Diese Unternehmen investieren großenteils in anderen EU-Ländern (28,6 Prozent) in Amerika (18,4 Prozent – in 2023 noch 6,4 Prozent) und Asien konstant leicht über 8 Prozent. „Ein ernüchterndes Misstrauensvotum an die Standortbedingungen in Deutschland“ fasst Felix Loose die Ergebnisse zusammen. Die von den Verarbeitern in der TecPart-Umfrage als größte Belastung identifizierten Themen zeigen 2024 eine Verschärfung der Situation: Auftragsmangel beklagen 80% und wird zur Top 1 Herausforderung, getrieben durch die Belastungen wie hohe Strompreise, überbordende Bürokratie und belastende Regulatorik.
Strategische Empfehlungen für eine „starke Wirtschaft und nachhaltige Kunststoffprodukte“
Die Transformation der deutschen Industrie erfordert schnell eine zukunftsweisende Kurskorrektur um Abwanderungen und Insolvenzen zu stoppen sowie nachhaltiges und rentables Wachstum zu fördern. "Die Chance und Zukunft der Kunststoff verarbeitenden Industrie in Deutschland basiert auf der Kreislaufwirtschaft und ihrem enormen Innovationspotenzial. Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit sind dabei keine Gegensätze, sondern untrennbare Bestandteile dieses Fundaments", erläutert Felix Loose und listet die TecPart-Forderungen für starke Rahmenbedingungen an die neue Bundesregierung auf:
- Starke Rahmenbedingungen für einen zukunftssicheren Standort Deutschland:
- Energie und Modernisierung: Senkung der Stromsteuer flankiert von Investitionsanreizen für nachhaltige Produktionsanlagen.
Effiziente Verwaltung: Bürokratieabbau und Digitalisierung von Verwaltungsprozessen. - Arbeitskräftebasis stärken: Fachkräfteprogramme und Weiterbildungsinitiativen fördern
Aline Henke, Geschäftsführerin der hankensbüttler kunststoffverarbeitung und stellvertretende Vorsitzende des TecPart betont: „Die Bedeutung einer starken Arbeitskräftebasis für den Ausbau einer abgesicherten, ökonomisch wie ökologisch funktionierenden Kreislaufwirtschaft ist enorm. Wir als Kunststoffverarbeiter stehen für die Perspektive zukunftsweisender Jobs, die einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten können.“ Die folgenden TecPart Empfehlungen tragen dem Rechnung:
Kompass Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe neu ausrichten:
- Rezyklateinsatz fördern: Rezyklate müssen, überall wo irgend möglich von Belastungen befreit werden, damit sie gegenüber Neuware die günstigere Alternative sein können. Zudem muss Importware die europäischen Bestimmungen (überprüfbar!) erfüllen.
- Recyclingtechnologien fördern: Investitionen in Kapazitäten und Qualitätsstandards.
- Recyclingfreundliches Produktdesign: Standards für recyclingfähige Produkte.
- Internationaler Handel: Klare und überprüfbare Regeln für Abfall- und Produktstatus sowie den Rezyklatanteil in Materialien.
- Innovation und Mittelstand: Vereinfachte Förderprogramme und ein Transitionsfonds.
- EU-weite Synergien: Einheitliche Regelungen statt nationaler Alleingänge.
„Mit Blick auf die Wahl 2025 fordern wir die künftigen politischen Entscheidungsträger auf: Handeln Sie jetzt und pragmatisch! Der Spielraum für Verzögerungen ist ausgeschöpft. Die Kunststoffverarbeiter sind bereit, gemeinsam mit Ihnen die notwendigen Weichen für ein wettbewerbsfähiges und perspektivisch klimaneutrales Deutschland zu stellen. Nutzen Sie unser Know-how, unsere Innovationskraft und unser Engagement, um die Transformation erfolgreich zu gestalten. Der kunststoffverarbeitende Mittelstand von München über Hankensbüttel bis nach Lübeck und von Aachen bis Bautzen zählt auf Sie“, appelliert Frau Henke an die Parteien.