Stellungnahme von Fraunhofer UMSICHT zum Recycling von Biokunststoffen
Hintergrund
Unsere Lebensweise führt zu steigenden Ressourcenverbräuchen und Emissionen. Um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, müssen sowohl tiefgreifende Änderungen des heutigen Wirtschaftssystems als auch des Konsumverhaltens erreicht werden. Diese nötigen Änderungen haben die Vereinten Nationen in den Sustainable Development Goals im Ziel 12 »Für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sorgen« aufgenommen. Unterziel 12.5 fordert z. B. bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertungund Wiederverwendung deutlich zu verringern. Unter dem Begriff »Circular Economy « (Kreislaufwirtschaft oder zirkuläre Wirtschaft) werden diese Forderungen in konkrete politische Strategien überführt. Durch intelligentes Produktdesign sollen Waren/Rohstoffe im Kreislauf geführt werden (durch Wieder- und Weiterverwendung und Recycling). Dies sorgt für Arbeitsplätze und Wertschöpfung insbesondere vor Ort (z. B. zur Reparatur) und führt idealerweise dazu, dass keine Abfälle mehr anfallen. Die EU greift die Circular Economy im Kreislaufwirtschaftspaket auf und plant, die Umsetzung der Abfallhierarchie zu stärken. Zudem hat die Europäische Kommission im Januar 2018 eine Kunststoffstrategie veröffentlicht. Ein wichtiger Treiber dieser Strategie ist die Diskussion um Mikroplastik und Marine Littering, welche Fraunhofer UMSICHT bereits in einem früheren Positionspapier adressiert hat. Das Thema Kunststoffe wurde auch beim Weltwirtschaftsforum 2018 in Davos diskutiert. Der europäische Kunststoffverband PlasticsEurope hat eine Selbstverpflichtung zum Erreichen hoher Wiederverwertungs- und Recyclingquoten herausgegeben. Es gibt zudem Selbstverpflichtungen einiger Großunternehmen, z. B. Verpackungshersteller, Lebensmittelkonzerne und Konsumgüterhersteller, Rezyklatanteile in den Produkten zu erhöhen. Anreize für kreislauffähige Verpackungen werden im deutschen Verpackungsgesetz in §21 gesetzt. Hier wird eine ökologische Gestaltung der Beteiligungsentgelte gefordert. Weiter wird soll nach §21 (1) 2 der Einsatz von Rezyklaten sowie von nachwachsenden Rohstoffen gefördert werden. Das Gesetz tritt im Jahr 2019 in Kraft.
Im Folgenden wird die Materialgruppe der Biokunststoffe näher betrachtet und unter der Fragestellung, ob und wie diese zum Schließen von Kreisläufen beitragen können, eingeordnet. Biokunststoffe sind entweder biobasiert oder bioabbaubar oder beides, jedoch sind auch andere Definitionen im Umlauf. Ihre weltweiten Produktionskapazitäten werden nach Schätzungen des Branchenverbands European Bioplastics wie in der Vergangenheit auch in den nächsten Jahren weiter steigen. Biobasierte, nicht abbaubare Kunststoffe machen gut die Hälfte der Biokunststoffe aus. Überwiegend handelt es sich dabei um sogenannte Drop-In-Lösungen, die die gleiche chemische Struktur besitzen wie bereits auf dem Markt befindliche fossile Kunststoffmaterialien, z. B. Bio-Polyethylen (Bio-PE), Bio-Polyethylenterephthalat (Bio-PET) und Bio-Polyamide (Bio-PA). Die beiden letztgenannten Kunststoffsorten werden heute zum größten Teil als teilbiobasierte Materialien angeboten. So enthält Bio-PET aktuell 20 Prozent biobasierten Kohlenstoff. Zukünftig wird Polyethylenfuranoat (PEF), ein mit PET vergleichbarer, allerdings vollständig biobasierter Kunststoff mit besseren Barriereeigenschaften, hinzukommen. Polymilchsäure (PLA), und Polyhydroyalkanoate (PHA) sind die häufigsten biologisch abbaubaren biobasierten Kunststoffe, dazu kommen biologisch abbaubare Stärke-blends, die bis zu 35 Prozent biobasierte thermoplastische Stärke enthalten. Ein deutlicher Zuwachs ist hier vor allem bei den PHA zu erwarten, die nun nach langer Entwicklungszeit kommerziell produziert werden. Auch die Produktionskapazitäten von PLA werden in den nächsten fünf Jahren steigen und mit Total Corbion tritt neben Natureworks ein zweiter World-Scale-Wettbewerber für PLA und Lactide 2018 in den Markt.
Abb. 1: Weltweite Produktionskapazitäten für Biokunststoffe, jährliches Wachstum (2018-2022 Prognose) |
Bislang ist der Anteil der Biokunststoffe am gesamten Kunststoffmarkt sehr gering. Im Jahr 2016 wurden weltweit 335 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt. Biokunststoffe haben hieran einen Anteil von etwa 0,6 Prozent, wobei die Drop-In-Kunststoffe Bio-PE und Bio-PET alleine mehr als ein Drittel ausmachen. Rund 60 Prozent der Biokunststoffe werden in Verpackungen eingesetzt. Zu dieser Kategorie zählen auch Kunststoffbeutel zum Transport von Obst und Gemüse, Kunststofftragetaschen und Abfallsammelbeutel – Produktgruppen, die insbesondere in Italien und Frankreich, wo deren zertifizierte Bioabbaubarkeit (industriell kompostierbar bzw. heimkompostierbar) gesetzlich vorgeschrieben ist, den Großteil des Marktes ausmachen.
Abb. 2: Weltweite Produktionskapazitäten für Biokunststoffe 2017 nach Einsatzgebieten |
Weitere wichtige Einsatzgebiete sind außerdem Textilien, Konsumgüter, der Automobil- und Transportbereich sowie der Garten- und Landschaftsbau. Möglich sind diese breitgefächterten Anwendungen durch die Vielzahl verschiedener Biokunststoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften. Zudem werden häufig maßgeschneiderte Polymerblends eingesetzt, um die Anforderungen der Anwender an das Material zu erfüllen. Biokunststoffe werden nach wie vor hauptsächlich in Nischenmärkten eingesetzt. Großvolumige Einzelanwendungen im Verpackungsbereich wie die Sant'Anna Wasserflasche in Italien oder die PlantBottle der Coca Cola-Company sind eher Ausnahmen. Nach der Nutzung folgt die Entsorgung. Hier stellt sich vor allem bei kurzlebigen Produkten wie Verpackungen die Frage nach dem optimalen Entsorgungsweg für Biokunststoffe. Die prinzipiellen technischen Möglichkeiten der Aufbereitung von Kunststoffrestströmen sind durch die schnelle, kontaktlose molekulare Erkennung von Kunststoffbaugruppen mittels der ortsaufgelösten Nahinfrarotspektroskopie sowie der Erkennung von Form, Farbe und Textur durch digitale Bilderkennung und UV/VIS-Spektroskopie ausgesprochen gut. Durch neuere Verfahren unter Anwendung der Laserspektroskopie und der Methode der hyperspektralen Bildgebung wurden die Möglichkeiten verfeinert und erweitert, so dass auch schwarze Kunststoffe – diese auch nach Kunststofftyp –, Glas und weitere Störstoffe erfasst werden können [Beel-2017; Meyer-2017; Steinert-2016; TOMRA-oJ; Unisensor-2014; Unisensor-2016].
Auch die mögliche räumliche Auflösung einzelner Kunststoffreste auf einem Sortierband ist weiter verbessert worden, so dass Sortierung auf Flake-Ebene Stand der Technik ist. Mit der Weiterentwicklung der Auswertesoftware der optischen Sensoren unter Verwendung von anlernbaren neuronalen Netzwerken kann eine Sortieraufgabe bezüglich Gut- und Schlechtfraktion anwendungsnah gelöst werden. Auch Mehrschichtverbundkunststoffe können durch Nahinfrarotspektroskopie zumindest in Teilen erkannt werden. Neuentwicklungen wie die elektro-hydraulische Zerkleinerung lassen die Trennung galvanisierter Kunststoffe (Metall-Kunststoffverbunde) in Zukunft möglich erscheinen.
Auch biobasierte Kunststoffrestströme können, wie alle konventionellen Kunststoffe, identifiziert und sortiert werden, wie Studien im Auftrag der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt am Beispiel von PLA und PLAbasierten Blends zeigten. Das in der Markteinführung befindliche neue Flaschenmaterial auf Basis von Polyethylenfuranoat (PEF) wird sogar ausdrücklich damit beworben, dass Recyclingfähigkeit über die Prozessketten gegeben ist. Limitierend für die Sortierung und damit limitierend in der Qualität und Quantität einzelner Sortierfraktionen sind heute vor allem:
- technisch-physikalische Faktoren der Vereinzelung der zu sortierenden Kunststoffreste (z. B. die schwierige Vereinzelung flexibler Verpackungsmaterialien oder die Erfassung rollender Verpackungsmaterialien wie Joghurtbechern),
- Faktoren des Materialdesigns in Hinblick auf:
- - Verbundmaterialien (z. B. Mehrschichtverbundfolien)
- - oder Materialkombinationen (z. B. Kunststoff mit Papieraufklebern) und die damit zusammenhängende komplexer werdende Auswertung der durch Sensoren erzeugten Daten (insbesondere bei weiterer Individualisierung des Designs),
- ökonomische Faktoren, welche den Mindestgehalt einer Sortierfraktion im gesamten Sortierstrom definieren (steigende Grenzkosten bei Sortierung auf 100 Prozent Reinheit) sowie
- Bedarf an Ressourcen (Energie und Material), um Kreisläufe vollständig zu schließen (z. B. Aufwand zur Sortierung und Aufbereitung).
Bei hinreichend reinen Sortierfraktionen können durch nachgelagerte Prozesse auch Materialkombinationen weitgehend separiert werden, wie die Trennung von PET-Flaschen in Verschlüsse und PET-Flakes sowie die Farbsortierung der PET-Flakes zeigen. Generell gilt, dass bei steigender Eindeutigkeit, sei es des Werkstoffs (z. B. PET) oder sei es der Herkunft (z. B. Flaschenrücknahmesysteme), komplexe Sortieraufgaben einfacher zu bewerkstelligen sind. Die Sortierung von gemischten Reststoffströmen aus Wertstofftonnen oder dem Gelben Sack stellt hingegen die schwierigste Aufgabe im Bereich von Verpackungsabfällen dar.
Ökonomische Faktoren dominieren letztendlich die Qualität (Reinheit) einer Sortierfraktion. Aufgrund des geringen Aufkommens sind neue Kunststoffe oft nicht wirtschaftlich als eigene Fraktion zu sortieren, werden entweder zur Beseitigung ausgeschleust oder können andere Fraktionen verunreinigen. Der Einfluss biobasierter Kunststoffe als Verunreinigung ist aber in der Regel nicht größer als durch schon vorhandene fossil basierte Verunreinigungen, wie an der Universität Wageningen gezeigt wurde.
Neue Kunststoffe, seien sie biobasiert oder nicht, sollten daher ganzheitlich betrachtet werden. In den letzten 30 Jahren sind nur wenige Neuentwicklungen im Kunststoffbereich vorangetrieben worden, da durch tiefere Kenntnis der Physik als auch der Chemie der Polymere sowie durch Innovationen in der Anlagentechnik die Materialeigenschaften und Kosten der bereits vorher entwickelten Kunststoffe stark verbessert wurden. Neben dem fossil basierten PA 46 zählen mit PLA, PEF, PHA und den teilbiobasierten Polyamiden mehrere strukturell neue biobasierte Polymere zu den Produkten, die heute großindustriell verfügbar sind oder kurz davorstehen. Zwar sind nicht alle teilbiobasierten Polyamide historisch gesehen neue Kunststoffe, sie erfahren aber heute unter dem Gesichtspunkt einer nachhaltigen Wertschöpfung neue Wertschätzung, ebenso wie das biobasierte Polyethylen. Die Entwicklungen im Bereich des Klimaschutzes, die eine Abkehr von der fossilen Wirtschaft notwendig machen, als auch die Bedürfnisse einer wachsenden Erdbevölkerung und das Bestreben dieser, zu Wohlstand zu kommen, haben zur Folge, dass der weltweite Kunststoffverbrauch pro Kopf steigt und vermehrt klimaneutrale Rohstoffe eingesetzt werden müssen (Rohstoffwende). Es ist daher damit zu rechnen, dass langfristig Anstrengungen hin zu vermehrt kreislauffähigen Kunststoffen bei Änderung der Rohstoffbasis notwendig sind. Drop-In- Materialien wie das biobasierte Polyethylen können einen Beitrag zur Lösung des Klimaproblems darstellen. Da aber insbesondere die schwer abbaubaren Polyolefine bei nicht fachgerechter Entsorgung durch ihre Langlebigkeit in der Umwelt ein großes Problem darstellen, müssen übergeordnete Kriterien auch Berücksichtigung finden.
Im neuen Verpackungsgesetz wird daher in §16 die schrittweise Erhöhung der Verwertung von Kunststoffabfällen auf 90 Prozent bis 2022 festgelegt, wobei davon 70 Prozent einer werkstofflichen Verwertung zuzuführen sind. Der Status quo der jetzigen Verwertung mit ihren hohen Anteilen an energetischen Verwertungswegen wird in Zukunft nicht mehr zu halten sein. EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans macht inzwischen Druck auf die Industrie: »Unsere ganze Wirtschaft muss umgestaltet werden. Wir wollen dafür sorgen, dass alle Verpackungen in Europa im Jahr 2030 recyclingfähig sind«. Die verstärkte Nutzung von Biokunststoffen und die Sortierung von Kunststoffabfällen sind somit im Kontext der gesamten ökonomischen Wertschöpfungskette wie auch der ökologischen Auswirkungen zu sehen und erfordern nationale wie internationale Lösungsansätze.
Position von Fraunhofer UMSICHT 1
1. Alle Kunststoffprodukte, auch solche aus bioabbaubaren Kunststoffen, sollen einem zielgerichteten Abfallmanagement zugeführt werden. Die Vermüllung der Umwelt durch Kunststoffe (Littering), seien es fossil basierte oder biobasierte, abbaubare oder nicht abbaubare Kunststoffe, stellt ein gesellschaftliches und ordnungspolitisches Problem dar. Die gesellschaftliche Kommunikation über den richtigen bzw. falschen Umgang mit Kunststoffen – und im erweiterten Sinne den Umgang mit allen Ressourcen - am Ende ihrer Nutzungsphase bedarf einer grundlegenden Intensivierung.
2. Mehrfachnutzungen, Reparaturfähigkeit und ein verbessertes End-of-Life-Management sind für alle Arten von Kunststoffprodukten, auch für solche aus Biokunststoffen, anzustreben.
3. Produkte und Materialien sind möglichst so zu gestalten, dass sie kreislauffähig sind. Daher muss die Bandbreite der heute eingesetzten Kunststoffe und die Verwendung von Multilayer-Verbünden insbesondere bei kurzlebigen Produkten wie Verpackungen überdacht werden. Schlecht zu rezyklierende Materialkombinationen sind zu vermeiden. Dazu gehören beispielsweise:
- Materialmischungen (z. B. PET mit PA-Barriereschichten)
- Metall-Kunststoff-Kombinationen (wie Aluminium als Barriereschicht)
- Kunststoff-Papier-Kombinationen (z. B. durch nicht-ablösbar aufgeklebte Etiketten)
- schwierig zu detektierende Materialkombinationen (bedingt durch Produktdesign)
Weitere Designkriterien für die Kreislauffähigkeit sind die Restentleerbarkeit der Verpackungen und rückstandsfrei trennbare Komponenten (wie z. B. Deckel von Joghurtbechern). Die Recyclingfähigkeit wird ab 2019 einen Einfluss auf die Entgelte der systembeteiligungspflichtigen Verpackungen haben (§21 VerpackG).
4. Für die Verpackung von Lebensmitteln werden vielfach Materialien mit sehr guten Barriereeigenschaften verwendet. Lösungsansätze, wie diese ohne Multilayer-Verbünde erreicht werden können, müssen intensiver erforscht werden.
5. Die Verwendung nachwachsender Rohstoffe ist wegen eines langfristig unumgänglichen Pfadwechsels weg von den fossilen Rohstoffen eine wichtige strategische Route, an der – unabhängig von der Bioabbaubarkeit – auf jeden Fall festgehalten werden sollte. Eine weitere Option könnte langfristig die stoffliche Nutzung von Kohlendioxid unter Einsatz regenerativer Energien darstellen.
6. Pfandlösungen wie z. B. bei PET-Flaschen führen zu hohen Rücklaufquoten (94 Prozent) bei hohen Reinheiten und Recyclingraten . Eine Ausweitung des Pfandsystems auf andere Werkstoffe sollte ergebnisoffen mit allen Stakeholdern und unter Berücksichtigung der Kosten und Vorteile geprüft werden. Durch neue Pfandsysteme, die von vornherein auf biobasierten Kunststoffen aufbauen, könnte die Marktdurchdringung gesteigert werden.
7. Kunststoffverpackungen, die über die dualen Systeme erfasst werden, können durch moderne Sortiersysteme identifiziert und sortiert werden. Bei optimierter Betriebsführung lassen sich hohe Sortierqualitäten erreichen (angemessene Beladung und Bandgeschwindigkeit). Auch wenn die Mengen an Biokunststoffen zurzeit noch gering sind, sollten Sortierversuche mit realen Produkten durchgeführt werden. Damit können Anlagendesign und die selbstlernenden Algorithmen der softwaregesteuerten Kunststofferkennung optimiert werden für den Fall, dass in Zukunft größere Mengen an Biokunststoffen in die Sortierungen gelangen.
8. Eine eindeutige Materialkennzeichnung jenseits der chemischen Basis ist für eine bessere Sortierung hilfreich. Diese kann durch Strichcodes, Fotoerkennung oder auch Markierungsadditive erreicht werden. Diese Optionen sollten weiterverfolgt werden.
9. Biokunststoffe haben zurzeit einen Anteil am Kunststoffabfall von weit unter einem Prozent. Die Reinheitsanforderungen an die Sortierfraktionen z. B. durch Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH (DSD) erlauben weit höhere Verunreinigungen. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich kaum Eigenschaftsverschlechterungen bei Post-Consumer-Rezyklaten durch geringe Biokunststoffanteile in der Sortierfraktion bemerkbar machen. Weitere Untersuchungen sind hier sinnvoll.
10. Ziel muss es sein, Rezyklatanteile in Neuware zu erhöhen, ohne eine Schadstoffverschleppung zu verursachen. Der Einsatz von Rezyklat im Lebensmittelkontakt wird durch die europäische Verordnung EG 282/2008 streng reguliert. Die Verordnung sieht vor, dass nur Rezyklate eingesetzt werden dürfen, deren Erzeugung qualitätsüberwacht ist und deren Rohstoffbasis Lebensmittelzulassung hatte. Hier müssen für alle Seiten sinnvolle Lösungen gefunden und geprüft werden, in welchen Bereichen Rezyklate sinnvoll eingesetzt werden können (Abwägung von Aufwand und Nutzen).
11. Eine aus Sicht von Fraunhofer UMSICHT wünschenswerte Kennzeichnung von Recyclingprodukten (z. B. zum Recyclinganteil und zur Qualität) befähigt den Verbraucher, sein Kaufverhalten anzupassen. Hierzu wurde z. B. vom DSD mit Partnern die RAL Gütegemeinschaft Rezyklate aus haushaltsnahen Wertstoffsammlungen gegründet. Damit soll die Quelle der Rohstoffe sichtbar werden.
12. Bioabbaubare Biokunststoffe sollten eindeutig gekennzeichnet werden. Bioabbaubare Kunststoffe, bei denen durch den Kontakt mit Verunreinigungen oder aufgrund der technischen Prozesse gegebenenfalls ein erster Abbau stattfindet, sollten nicht in Anwendungen genutzt werden, die am Lebensende den Weg in die Gelbe Tonne oder den gelben Sack finden. Auf der anderen Seite ist es notwendig, durch Anpassung regulatorischer Vorgaben (z. B. Bioabfallverordnung, Düngemittelverordnung, kommunale Abfallsatzungen) den Entsorgungsweg der Kompostierung für bioabbaubare Produkte dort zu eröffnen, wo es sinnvoll ist. Ein Beispiel dazu ist die abbaubare Sammeltüte für Bioabfälle.
13. Biobasierte Kunststoffe, die chemisch identisch zu Kunststoffen aus fossilen Rohstoffen sind, sogenannte Drop-In-Materialien, verhalten sich beim Recycling wie ihre petrochemischen Pendants und sollten gemeinsam mit diesen verwertet werden. Eine Förderung durch die Anreizsysteme nach §21 des neuen Verpackungsgesetzes wird als sinnvoll erachtet.
14. Häufig bilden Ökobilanzen keine zeitlich längere Perspektive ab. Es ist z. B. nicht berücksichtigt, dass die Erdgas- und Erdölgewinnung immer aufwendiger wird. Zudem berücksichtigen Ökobilanzen zur Zeit weder Risiken bei der Rohölgewinnung wie Oil-Spills (Tankerunglücke, Deep Water Horizon) noch Leckagen in Gas- oder Ölpipelines. Eine Aktualisierung von Datensätzen zur Ölgewinnung ist daher zwingend notwendig.
15. Fraunhofer UMSICHT empfiehlt eine umfassende Nachhaltigkeitsbetrachtung bei der Beurteilung von Biokunststoffen. Die Austarierung ökonomischer und ökologischer Kriterien sollte vermehrt im gesamten Kontext der Rohstoffversorgung, der Kreislaufwirtschaft und der ökologischen Auswirkungen als gesamtgesellschaftliche Verantwortlichkeit gesehen werden. Die Kreisläufe neuer Werkstoffe sind a priori nicht schlechter als die technisch und ökonomisch (Economy-of-Scale) optimierten Kreisläufe von etablierten Wertstoffen.
Biokunststoffe sind biologisch abbaubar, biobasiert oder beides
Biobasiert heißt, das Material oder Produkt ist (teilweise) aus Biomasse, z. B. Mais, Zuckerrohr oder Cellulose, erzeugt worden. Fossile Rohstoffquellen bleiben (teilweise) unberührt, einheimische Wertschöpfungsquellen sichern Arbeitsplätze. Zertifizierungssysteme bewerten im Wesentlichen biobasierte Kunststoffe nach dem Gehalt an »altem« (fossilem) und »neuem« (nachwachsendem) Kohlenstoff. Herstellerangaben können durch physikalische Verfahren überprüft werden.
Der Ausdruck biologisch abbaubar beschreibt einen biochemischen Prozess, in dem in der Umwelt vorhandene Mikroorganismen das Material in natürliche Substanzen wie z. B. Wasser, Kohlendioxid und mikrobielle Biomasse umwandeln. Bioabbaubarkeit ist also keine Funktion der Materialherkunft, sondern hängt nur mit der Molekülstruktur zusammen. Der Prozess des biologischen Abbaus hängt weiterhin von den Umweltbedingungen (z. B. Feuchte oder Temperatur) und der Produktgestaltung (z. B. Dicke des Bauteils) ab.
Diese Unterscheidung illustriert ein einfaches Zwei-Achsen-Modell, in welches alle Kunststofftypen und mögliche Kombinationen eingeordnet werden können:
Die vertikale Achse zeigt die biologische Abbaubarkeit von Kunststoffen, die durch standardisierte Prüf- und Zertifzierungsverfahren nachgewiesen werden muss, und ist somit eine Materialeigenschaft, während die horizontale Achse die Materialherkunft, d. h. petrochemische oder nachwachsende Rohstoffe zeigt.
Anhand dieses Schemas lassen sich vier mögliche Gruppen ableiten:
1. Nicht biologisch abbaubare Kunststoffe aus petrochemischen Rohstoffen – diese Kategorie umfasst, was als klassische oder traditionelle Kunststoffe bekannt ist.
2. Biologisch abbaubare Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen – Kunststoffe, die aus biomassehaltigem Ausgangsmaterial hergestellt wurden und die Eigenschaft der biologischen Abbaubarkeit zeigen. Diese Kunststoffe werden beispielsweise in Mulchfolien oder Bioabfallbeuteln eingesetzt.
3. Biologisch abbaubare Kunststoffe aus fossilen Rohstoffen – Kunststoffe, die biologisch abgebaut werden können, aber aus fossilen Rohstoffen hergestellt wurden. Die Anwendungen sind vergleichbar mit Anwendungen in Gruppe 2.
4. Nicht biologisch abbaubare Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen – Kunststoffe, die aus Biomasse produziert wurden, aber nicht die Eigenschaft biologische Abbaubarkeit aufweisen. Oft sind diese Kunststoffe sogenannte Drop- In-Lösungen, also Kunststoffe, die chemisch gesehen mit denen aus fossilen Rohstoffen identisch sind (z. B. Bio-PE in Kosmetikverpackungen).
Gelegentlich hört man auch den Ausdruck »biokompatibel«. Dieser wird im Zusammenhang mit der Verträglichkeit von Kunststoffen im menschlichen oder tierischen Gewebe verwendet. Biokompatible Kunststoffe werden nach Operationen ohne toxische Zwischen- und Endprodukte abgebaut oder vom Immunsystem nicht als Fremdkörper bekämpft.
Bertling, J.; Borelbach, P.; Hiebel, M.; Kabasci, S.; Kopitzky, R.: Recycling von Biokunststoffen – UMSICHT nimmt Stellung