Abb. 1. Concavus®-Tiegel und Deckel aus Al für DSC-Messungen |
Für die Identifizierung einzelner Polymere einer Mehrschichtfolie hat sich die Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) als schnelle und zugängliche Methode in der Verpackungsindustrie bewährt.
Im folgenden Beispiel wurde eine kommerzielle Verbundfolie mit einem NETZSCH DSC-Gerät untersucht. Dafür wurde eine Probe im Concavus®-Aluminiumtiegel präpariert und durch einen einschiebbaren Deckel, der speziell für Messungen an sehr dünnen Proben wie z.B. Folien entwickelt wurde, flach und gleichmäßig auf den Tiegelboden angedrückt.
Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse der 1. und 2. Aufheizung. In beiden Aufheizungen wurden mehrere überlagerte Peaks zwischen 108 °C und 121 °C detektiert. Dies deutet bereits daraufhin, dass mehrere Polymere vorliegen, wobei der Temperaturbereich typisch für verschiedene Polyethylene niedriger DichteDie Massen-Dichte ist definiert als Verhältnis zwischen Masse und Volumen.Dichte ist.
Abb. 2. DSC-Messung an einer kommerziellen Verpackungsfolie (inklusive aller Schichten) bis 300 °C |
In der ersten Aufheizung wurde zusätzlich ein Peak bei 176 °C detektiert, der auf die Anwesenheit von EVOH (Polyethylenvinylalkohol) schließen lässt. EVOH ist auch als Barriere-Kunststoff bekannt, der durch seine Undurchlässigkeit – u.a. gegen Sauerstoff – in der Verpackungsindustrie weit verbreitet ist. Seine Schmelztemperaturen und SchmelzenthalpienDie Schmelzenthalpie einer Substanz, auch bekannt als latente Wärme, stellt ein Maß der Energiezufuhr dar, typischerweise Wärme, welche notwendig ist, um eine Substanz vom festen in den flüssigen Zustand zu überführen. Der Schmelzpunkt einer Substanz ist die Temperatur, bei der die Substanz von einem festen (kristallinen) in den flüssigen Zustand (isotrope Schmelze) übergeht.Schmelztemperatur ist abhängig vom Ethylen-Anteil – eine Schmelztemperatur von 176 °C entspricht einem Ethylen-Anteil zwischen 35 Mol-% und 38 Mol-% [1].
In der zweiten Aufheizung ist der Peak bei 176 °C zu niedrigerer Temperatur (159 °C) verschoben. Diese Verschiebung geht vermutlich auf das Schmelzen einer Mischphase zurück, die sich zwischen Polyethylen und EVOH gebildet hat.
Der breite Effekt zwischen 230 °C und 280 °C wird im Folgenden näher untersucht. Dazu wurde die in der Abbildung 2 gemessenen Verbundfolie in zwei Schichten getrennt: eine flexible, aluminiumfarbige Folie und eine zweite, dünnere, bedruckte Folie. Zwischen beiden Schichten lag zusätzlich eine Papierschicht.
Die beiden Folien um die Papierschicht wurden getrennt voneinander gemessen. Die DSC-Kurven sind in Abbildung 3 dargestellt.
Abb. 3. DSC-Messung an den einzelnen Folien der Mehrschichtfolie. Jede Einzelfolie wurde zweimal zwischen -30 °C und 300 °C mit 10 K/min aufgeheizt |
Die bedruckte Folie (blaue Kurve, Abbildung 3) zeigt – mit Ausnahme des in Abbildung 2 bei 253.9 °C detektierten Peaks – die gleichen Effekte wie das komplette Verbundmaterial. Im Gegensatz dazu weist die aluminiumfarbige Folie (schwarze Kurve) nur einen Peak bei 255 °C (1. Aufheizung) bzw. 248 °C (2. Aufheizung) auf. Dieser Temperaturbereich ist typisch für das Schmelzen von PET.
Mit diesen Ergebnissen lässt sich für die Zusammensetzung der Verbundfolie schlussfolgern: Die dünnere, bedruckte Folie besteht aus verschiedenen Polyethylenen sowie aus EVOH; die aluminiumfarbige aus PET. Die Farberscheinung der PET-Schicht deutet auf eine Aluminiumbeschichtung hin, die beispielsweise als Lichtschutz in der Verpackung zum Einsatz kommen kann [2]. Der Aluminium-Schmelzpeak (660,4 °C) befindet sich außerhalb des gemessenen Temperaturbereichs und wurde deshalb nicht detektiert.
Überlagerungen identifizieren mit der Proteus® PeakSeparation Funktion
Um die drei überlagerten Peaks zwischen 108 °C und 121 °C eindeutig identifizieren zu können, die während der Messung an der bedruckten Folie detektiert wurden, wurde die DSC-Kurve der 2. Aufheizung (Abbildung 3, gestrichelte blaue Kurve) mit der Proteus® Software-Funktion PeakSeparation ausgewertet. PeakSeparation erlaubt die Darstellung der experimentellen Daten als additive Überlagerung von Peaks. Dieses Software-Feature bietet verschiedene Kurventypen an wie z.B. Pearson, Gauß und Cauchy. Hier wurde der Fraser-Suzuki-Kurvenverlauf sowie eine Kombination aus Fraser-, Suzuki- und asymmetrischem Cauchy-Kurvenverlauf gewählt. Die Anwendung dieser Profile auf die gemessene DSC-Kurve ermöglichte eine mathematische Trennung der überlappenden Peaks.
Abb. 4. Peak-Auftrennung der Kurven der 2. Aufheizung. Blaue gepunktete Kurve: gemessene Daten. Rote Kurve: Summe der vier berechneten Kurven (hellviolette, orange, dunkelviolette und grüne Kurve) |
Abbildung 4 zeigt die Ergebnisse der Peak-Trennung. Der experimentellen DSC-Kurve (blaue, gepunktete Kurve) lassen sich vier berechnete Peaks zuordnen. Die Peaks bei 108 °C, 118 °C und 120 °C sind typisch für unterschiedliche Polyethylene niedriger Dichte (PE-LD, PE-LLD).
Ein zusätzlicher Peak bei 92 °C (orange Kurve) ist auf das Aufschmelzen kleiner Kristallite zurückführbar.
Der Korrelationskoeffizient zwischen der Summe der vier berechneten Kurven und der gemessenen Kurve wurde zu 0,999 ermittelt und bestätigt damit die sehr gute Anpassung der berechneten Peaks an die Messdaten.
Fazit
DSC-Messungen liefern wertvolle Informationen über die Zusammensetzung von Verpackungsfolien. Diese komplexen Materialien bestehen aus verschiedenen Schichten, die zum Teil mit nur einer einzigen DSC-Messung identifiziert werden können. Die Verpackung unseres Beispiels besteht mindestens aus PET, EVOH und mehreren Polyethylenen unterschiedlicher Dichte.
Die Schmelzbereiche der verschiedenen Polymere liegen oftmals sehr eng beieinander. Eine komplette Auftrennung der Peaks bzw. genaue Materialcharakterisierung ist jedoch durch sorgfältige Probenvorbereitung und Anwendung von PeakSeparation einfach möglich.
Dieses Programm ermöglicht die Trennung von überlappenden Peaks unter Verwendung von Parametern der folgenden Peak-Typen: Gauß, Cauchy, pseudoVoigt (lineare Kombination von Gauß und Cauchy), Fraser-Suzuki (asymmetrischer Gauß), modifizierter Laplace (beidseitig gerundet) und Pearson. Damit werden die experimentellen Daten als Superposition von Peaks berechnet. Sie kann auf Kurven angewandt werden, die mit verschiedenen Analysemethoden wie der Differential-Scanning-Kalorimetrie (DSC), der Thermogravimetrie (TG) und der Dilatometrie (DIL), FTIR-Traces und MS-Kurven ermittelt wurden.